Email von Urszula Cz. aus München


13. Februar 2015

Lieber Herr Bauer,
 
ich schreibe Ihnen, um mich von ganzem Herzen für Ihr Buch zu bedanken.
Ich möchte mich aber vor allem im Namen meiner Großtante bedanken, die 1944 als achtzehnjähriges Mädchen vom Warschauer Aufstand nach Ravensbrück und von dort nach Genshagen verschleppt wurde.
Ich bin mit ihren Geschichten über den Krieg und das Lager aufgewachsen. Wir wussten aber die ganze Zeit nicht, wo sie eigentlich war, wo sie die Teile für die Flugzeugmotoren zusammengesetzt hatte. An so viel konnte sie sich erinnern, nicht aber an den Namen.
Erst bei unserer zweiten Nachfrage bei der ITS vor ein paar Wochen tauchte der Name Genshagen auf. So bin ich auf Ihr Buch gestoßen.
Da habe gleich meine Großtante in Polen angerufen, um ihr zu erzählen, dass sich jemand ihrer Geschichte und der ihrer Mithäftlinge angenommen und darüber ein Buch geschrieben hat, und dass ihr Name (Anna Ziemba) in diesem Buch steht.
Sie hat sich so gefreut! Meine Familie und ich sind Ihnen so dankbar dafür.
Meine Großtante lebt in einem kleinen Dorf in Ostpolen (wo ich auch herkomme). Ihre Gesundheit ist stark angegriffen, aber sie ist geistig noch sehr wach. So kann sie sich immer noch gut an vieles aus dem Krieg erinnern. Mittlerweile erzählt sie von ihren Erlebnissen auch unserem zehnjährigen Sohn und meinem Mann, wenn wir bei ihr zu Besuch sind.
In ihren Erinnrungen aus dem Lager taucht immer ein Deutscher auf, der damals etwa siebzig war und die Aufgabe hatte, die Frauen bei der Arbeit zu beaufsichtigen. Meine Großtante erzählt von ihm in großer Dankbarkeit und dass er ihr wohl das Leben gerettet hätte, weil er ihr immer wieder aus der Kantine etwas Essen geschmugellt hätte oder sie sich hinlegen ließ, wenn gerade niemand sonst in der Nähe war. Meine Tante sagt, dass sie den Mann immer in ihr Gebet einschließe.
Sie spricht kein Deutsch. An einige Worte und Sätze kann sie sich jedoch erinnern. Das sind neben den "Zum Appell runter" eben die Worte, die der Deutsche zu ihr gesagt hatte: "Mein Gott, mein Gott, so jung."
Lieber Herr Bauer, glauben Sie, dass es eine Möglichkeit gäbe, herauszufinden, wie dieser Mann hieß? Meine Tante weiß nur, dass er aus Hamburg war. Dahinter steckt ein großer Wunsch, der Familie dieses Mannes, die es vielleicht gibt, davon zu erzählen.
 
Ihr Buch ist wirklich wunderbar geschrieben, ich lese jetzt darin und kann mich nicht lösen. Es nimmt mich auch sehr mit.
 
Bei meinem nächsten Besuch in Polen nehme ich es mit. Schade, dass weder meine Tante noch meine Eltern Deutsch können. 
Ist eine Übersetzung ins Polnische vielleicht geplant?
Wenn Sie eine Übersetzerin brauchten, bei welchen Projekten auch immer, möchte ich meine Arbeit gern anbieten. Auch wenn Sie vielleicht Fragen hätten an meine Tante als Überlebende, würde ich mich sehr freuen, wenn ich behilflich sein könnte.
 
Kurz zu meiner Person: ich übersetze für Deutsch und Polnisch (u.a Wörterbücher, Kinderbücher, Filme), habe Austellungstexte und Erinnerungen u.a für die GDW in Berlin und die Gedenkstätte Buchenwald übersetzt, habe an der FU Berlin Germanistik studiert und lebe seit 25 Jahren in Deutschland, im Moment in München.
 
Ich möchte mich noch einmal bei Ihnen bedanken. Ihr Buch ist ein Geschenk an meine Familie.
 
Lieber Herr Bauer, ich hoffe, dass Sie sich nicht gestört fühlen, dass ich Ihnen so persönlich schreibe.
 
Viele Grüße und Ihnen ein schönes Wochenende

Urszula Cz. aus München